18.11-07.12.2023
Wir wollten mal wieder ausserhalb unsere Comfortzone sein, denn inzwischen ist das Leben in unserem Van auch schon zum Alltag geworden. Die Anfangsaufregung ist verflogen und wir haben ein eingespielte Routine, auch wenn wir jeden Tag woanders aufwachen. Was grundsätzlich auch was schönes ist, da die Anfangszeit um einiges anstrengender war.
So juckte es uns in den Abenteuerfinger und es war an der Zeit für eine Veränderung. Da wir schon immer mal länger mit unseren Fahrrädern unterwegs sein wollten, entstand die Idee vom Bikepacking in Patagonien. Bis jetzt haben wir nur Tagestouren mit unseren Bikes gemacht und waren noch nie länger mit Fahrrad, Zelt & Gepäck am reisen. Und wir freuten uns richtig auf diese Abwechslung und Herausforderung.
Was wir dazu benötigen sind Fahrräder und Bike-Taschen. Erstens: Bikes - Check, zwar sind unsere Fully-Mountainbikes absolut nicht geeignet für Bikepacking, aber wir haben halt nur diese Fahrräder dabei. Zweitens Fahrradtaschen, diese benötigen wir noch. Daher wurden nach intensiver Internetrecherche einige lokale Taschenhersteller kontaktiert. Die Schwierigkeit lag darin nicht zu viele Taschen zu kaufen und doch die notwendige Anzahl, damit wir alles mitnehmen können. In Rancagua fanden wir ein kleines chilenisches Unternehmen, die tolle Taschen vor Ort herstellen. Wir vereinbarten einen Termin vor Ort und der Eigentümer nahm sich super viel Zeit uns die Fabrik und die Herstellung der Taschen zu zeigen. Zudem konnten wir gleich die Taschen an unserem Bike testen. Dank seinem Know-How und Beratung fanden wir die passenden Taschen für unser Abenteuer. Wir waren begeistert von der Qualität und dem durchdachten Design sowie der Funktionalität.
Jetzt gibt es kein zurück mehr - wir waren ready für unseren ersten Bikepacking Trip.
Was wir auf unserer Reise gelernt haben, Pläne sind da, um sie wieder zu ändern. Und so haben wir mal wieder unsere alten Pläne über den Haufen geworfen und Neue geschmiedet. Denn das Wetter machte uns einen Strich durch die Rechnung (mehr Details im vorherigen Blogpost). Und so kam es, dass unser Bikepacking Abenteuer in Chos Malal im Norden von Patagonien startet. Wir entschieden uns für eine Route abseits der üblichen Touristen Pfade und erkundeten das Hinterland der patagonischen Steppe. Die grösste Herausforderung beim Packen war es genug Wasser und Lebensmittel mitzunehmen. Wir mussten für sicherlich 3 Tage Lebensmittel mitnehmen, da es keine Einkaufsmöglichkeit gab. Zudem war Wasser in dieser Region auch sehr spärlich vorhanden, so hatten wir mind. 10 Liter dabei, in der Hoffnung, dass wir diese irgendwo wieder auffüllen können. Nachdem wir unsere Bikes bepackt haben, ging es mit unglaublich schweren Fahrrädern los.
Um ehrlich zu sein die ersten Tage waren anstrengend und frustrierend. Wir kamen viel langsamer voran als wir eigentlich gedacht haben, wir machten Bekanntschaft mit starkem Gegenwind und die Campspots waren ohne Schatten und sandig, was in Kombination mit Wind heisst, non-stopp Sand im Zelt bzw. im Gesicht zu haben. Die Bikes waren mit dem Wasser und Gepäck sicherlich 35kg schwer und daher viel mühsamer zu bewegen, als wir uns das vorgestellt haben. Es war sozusagen ein Kampf nicht einfach umzudrehen, auch wenn die Landschaft eindrucksvoll und schön war, so richtig konnten wir es nicht geniessen. Doch wir versuchten uns gegenseitig zu motivieren und positiv zu bleiben.
Und so vergingen die ersten paar Tage in dieser wunderschöne einsamen Landschaft. Und wenn der Po mal wieder nach einer Pause rief, dann gab es einfach einen Stopp direkt an der Strasse. Da eh keine Autos vorbei kamen, konnten wir die Bikes einfach an den Strassenrand legen, uns auf die Strassen setzen und ein kleines Päuschen machen mit Blick in das wunderschöne weite Tal.
Nach einigen Tage kamen wir in einem kleinen Dorf an und konnten auf einer Wiese hinterm Haus unser Zelt aufschlagen. Puh der Po schmerzte und die Hitze nahm von Tag zu Tag zu. Hier konnten wir unsere Vorräte aufstocken und endlich mal wieder Duschen. Am Abend kamen noch zwei weitere Bikepacker, wie sich herausstellte auch aus der Schweiz. Sie haben bereits Europa mit dem Fahrrad bereist und sind ab Peru in Südamerika unterwegs. Für uns wurde klar, so sehr wir biken lieben, aber für richtig lange Zeit nur auf dem Bike ein Land zu bereisen, ist nichts für uns. Da bevorzugen wir den Van mit Tagestouren auf dem Bike.
Doch aufgeben wollten wir auch nicht, also ging es nach einem Tag Pause weiter. Am Dorfausgang begrüsste uns ein junger Hund, leider hatten wir kein Platz für Hundefutter, aber Anna hat immer ein paar Krauleinheiten übrig. Generell sind die Strassenhunde hier sehr freundlich, mit dem Fahrrad ist man gerne ein Ziel für eine kleine Jagd nach dem Reifen. Doch bis jetzt hatten wir nur positive Erfahrung und spätestens wenn wir anhalten beruhigen sich auch die aufgebrachtesten Hunde und wollen doch nur spielen oder gestreichelt werden. Und so ging es weiter durch die wunderschöne Steppen-Landschaft. Sehr selten kommen Autos vorbei und wenn mal eins vorbeifährt, dann werden wir mit viel Gehupe und freundlichem Winken begrüsst. Wir haben sogar mal eine Flasche Wasser von einer Autofahrerin geschenkt bekommen. Die Freundlichkeit der Argentinier ist wirklich unbeschreiblich. Ab und zu fahren wir an einem Gaucho mit seiner riesigen Schaf- und Ziegenherde vorbei. Hier ist wirklich die Zeit stehen geblieben und alles sehr friedlich.
Und so groovten wir uns von Tag zu Tag mehr ein. Auch wenn der Po weiterhin weh tat und langsam taub wurde, fingen wir an die Zeit auf dem Bike in dieser einsamen Umgebung zu geniessen. Unsere Tage wurden nochmals so viel einfacher - nachdem wir den ganzen Tag auf dem Velo waren, suchen wir uns irgendwann am frühen Abend einen Schlafplatz, bauen unser Zelt auf, kochen Abendessen und schlüpfen früh in unseren Schlafsack. Am nächsten Morgen bauen wir das Zelt wieder ab, dann gibt es Müsli zum Frühstück, die Bikes werden wieder gepackt und wir radeln weiter. Es ist diese Einfachheit, die uns eine unglaubliche Ruhe und Zufriedenheit gibt. Der anfängliche Stress wegen dem langsame Vorankommen und der Einsamkeit verschwand und wir genossen die Ruhe. Die unruhigen Gedanken wurden langsamer und leiser. Wir waren mehr denn je im hier und jetzt.
Inzwischen wurde es allerdings tagsüber so heiss, dass wir anfingen ein paar Stunden "Siesta" im Schatten zu machen. Hierfür muss manchmal auch ein Schattenplatz vor einem Bankautomaten herhalten. Doch da es so lange hell bleibt, können wir jeweils noch ein paar Stunden am Abend fahren.
Die Tage verflogen nur so und wir erlebten so viel Herzlichkeit und Neugierde von den Einheimischen. So standen wir am Supermarkt, um erneut unsere Vorräte aufzustocken und auf einmal bekommen wir eine Packung Cookies geschenkt, als Stärkung für unsere nächste Bike-Etappe. Und während ich am einkaufen war, musste Amir dem halben Dorf von unsere Route erzählen und warum wir sowas machen. Danach ging es nochmal 40 km weiter, gestärkt von Media Lunas (Crossaints) und Orangensaft. Als wir spät abends an unserem Schlafplatz (Wiese am Fluss) ankamen, war noch eine Gruppe von Argentinier, welche den ganzen Tag am Fluss mit Freunden und Familie grilliert haben. Also ein typisches Asado. Sie packten jedoch bereits ihre Stühle und Grillrost zusammen. Wir entschieden uns hierzubleiben und fingen an das Zelt aufzubauen, da es bereits dunkel wurde. Schon nach kurzer Zeit kam einer zu uns und fragte, ob wir nicht noch ein Stück gegrilltes Fleisch wollen. Irritiert sahen wir auf, da wir dachten sie wollten bereits gehen, aber so eine Einladungen nehmen wir natürlich immer gerne an. Es stellte sich heraus, dass sie bereits gegessen hatten und nur für uns nochmal ein Feuer angemacht haben und den Rost vom Auto geholt, damit sie uns ein riesiges Stück Fleisch grillen konnten. Diese Gastfreundschaft ist für uns nach wie vor fremd, derweil ist es etwas so bereicherndes und schönes. Diese Offenheit wollen wir unbedingt mit Nachhause nehmen. Wir hatten einen wundervollen lustigen Abend mit ihnen und waren auch noch für den nächsten Tag mit Fleisch versorgt.
Der nächste Tag startete bereits morgens um fünf, wir wollten die Hitze und dem Wind umgehen und einige Kilometer zu unserem Ziel zu den Lagunas Epulauquen schaffen, bevor es heiss und windig wird. Doch es war so unglaublich kalt, die Finger gefroren und die Stimmung im Eimer als wir los radelten. Meistens startete der Wind erst gegen Mittag doch nicht diesmal, diese vor uns liegenden 40km Kilometer schienen unendlich lang. Den ganzen Tag kämpften wir uns gegen den starken frontalen Wind an. Ab einem Punkt war das Bike schieben schneller als pedalieren. Und so krochen wir Kilometer für Kilometer voran. Als wir endlich ankamen, war es soo stürmisch, dass wir hinter einem verlassenem Haus an der Wand Windschutz suchten und erstmal was kochten.
Instagram vs. Realität
Zum Glück war die Laune und Energie wieder besser nach zwei Töpfen Pasta. :D
Dann machten wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz, da es so stürmte musste es unbedingt windgeschützt sein. In einem kleinen Waldstück fanden wir zwischen den Bäumen ein geeignetes Plätzchen und schlugen hier unser Zelt auf. Wir spazierten etwas am See entlang und bewunderten die Aussicht. Allerdings waren wir so erschöpft von dem Tag, dass wir schnell ins Zelt krochen und schliefen.
Am nächsten Tag ging es für uns den gleichen Weg wieder zurück, wir hatten gehofft länger hier zu bleiben, doch da es so windig war und kalt, war es uns zu ungemütlich hier zu bleiben. So schwangen wir uns wieder auf unsere Bikes und fuhren los. Zuvor fanden wir noch einen Wasserhahn - eine absolute Superpower von Amir - Wasser und Zugänge zu finden, so konnten wir noch schnell abwaschen, Wasservorräte auffüllen und machten uns auf den Rückweg.
Wir hatten schon Angst der Wind hätte gedreht und wir würden wieder Gegenwind haben, aber nein mit Rückenwind flogen wir nur so dahin und die 40km waren auf einmal ein Klacks. So kamen wir viel schneller als geplant in unserem nächsten Dorf an, wo wir uns einen Pause-Tag auf dem Gemeinde-Campingplatz gönnten. Und so ruhten wir uns mit dem Nachbars-Pferd und dortigen Strassenhunden aus. Leider erwischte Anna aber eine Lebensmittelvergiftung, wo sie mal wieder komplett aus dem Leben warf. Amir machte sich deshalb per Bus auf dem Weg zum Ferdi und holte diesen. So gab es eine unerwartete längere Pause vom Bikepacking.
Nach einem weiteren Ruhetag, entschieden wir uns die Gegend zusätzlich mit dem Van zu erkunden, da Anna immer noch etwas wacklig auf den Beinen war. Und so kamen wir ungeplant zu "Los Bolillos". Eine wunderschöne Felsformation mitten im nirgendwo. Wir verbrachten zwei Tage hier spazierten umher und genossen diesen magischen besonderen Ort. Wie so oft hat Argentinien so unglaubliche Highlights zu bieten, die verborgen sind vom Touristen-Trubel.
Wie wunderschön ist bitte unsere Erde - manchmal können wir nicht glauben, was wir alles entdecken dürfen.
Wir machten uns auf den Weg nach Chos Malal, damit wir von dort nochmal eine Bikepacking Tour starten können. Auf dem Weg hatten wir mal wieder Verkehrsstau. :D
In Chos Malal wurden alle Energiespeicher mit viel Fleisch, Pasta und Kuchen aufgefüllt, zudem wieder mal unsere Bikepacking Vorräte eingekauft und dann ging es auch schon wieder los.
Am nächsten Tag ging es wieder los, geplant sind 30km und 400hm bis wir zu den Lagunas kamen. Nach einem kurzen Stück auf der befahrenen Teerstrasse, bogen wir zum Glück auf einen wenig befahrenen Kiesweg ab. Vorbei an den typisch argentinischen Denkmalstätten fuhren wir immer bergauf in die unendliche Weite entlang. Am späten Nachmittag waren wir immer noch weit entfernt von unserem eigentlichen Ziel. Als wir die Karte und Route checkten, merkten wir dass wir irgendwie zuvor eine falsche Strecke eingegeben hatten. Unser eigentliches Ziel ist nämlich 45km und 1500hm entfernt. Wir sind bereits 1200hm geradelt, waren aber immer noch nicht am eigentlichen Ziel. Da der Himmel hinter uns immer dunkler wurde und der Hunger gross war, entschieden wir uns einen windgeschützten, flachen Schlafplatz zu suchen und unser Zelt aufzubauen. Schnell kochten wir uns eine Portion Cous cous und als wir gerade ins Zelt schlüpften fing es schon an zu regnen.
Das erste Mal Regen mit unserem Zelt, wir wussten nicht mal, ob es überhaupt wasserdicht ist. Und so kuschelten wir uns zusammen und hofften der Regen wird bald aufhören. Nach 3 Stunden hörte er tatsächlich auf und wir konnten unseren Augen nicht trauen als wir aus dem Zelt schauten. Es war der eindrucksvollste Sonnenuntergang den wir seit langem gesehen hatten. Die Sonne verschwand langsam hinter der Bergkulisse und die Gewitterwolken hingen noch schwer und schwarz an manchen Gipfeln. Die Farbe waren so intensiv und die ganze Stimmung war aufgeladen und magisch. Wir standen einfach da und staunten. Gleichzeitig hofften wir, dass die dicken Gewitterwolken an uns vorbei ziehen würden. Doch der Wind der immer stärker wurde, verhiess nichts Gutes.
Doch leider hatten wir keinen Glück, die halbe Nacht wütete das Unwetter über uns, es schüttete aus Eimern und stürmte so sehr, dass wir dachten unser Zelt fliegt gleich davon.
Übermüdet aber glücklich das Unwetter unbeschadet überstanden zu haben, krochen wir aus dem Zelt. Und weiter ging es die restlichen Höhenmeter und Kilometer zu erklimmen, damit wir an den Lagunas ankam. Der Wind wurde immer stärker und es war natürlich mal wieder Gegenwind. Als wir die Lagunas entdeckten, entschieden wir, dass uns dieser Anblick reichte. Und drehten kurzer Hand um. :D
Wir sausten die Hügel herab und waren bereits am frühen Abend wieder in Chos Malal. Unser Bikepacking Abenteuer wird uns immer in Erinnerung bleiben, wir sind definitiv ausserhalb unserer Komfortzone gewesen und haben hierbei wieder sehr viel gelernt. Dies war sicherlich nicht unser letzter Bikepacking Trip und wir freuen uns schon sehr Europa auf den Bikes zu erkunden.
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